Wann kommt der Zeitpunkt, die Schutzmaßnahmen wieder zu lockern?

2. April 2020 um 08:35 , Der AUDITOR
Bericht als Audio abspielen

SEEHEIM-JUGENHEIM. Immer wieder wird Ärzten und Virologen diese Frage gestellt. Sie sollen anhand von Schätzungen und mathematischen Annahmen versuchen, eine Antwort zu finden, und können doch bestenfalls eine vage Schätzung abgeben. Maßgeblich für den Zeitpunkt, an dem die Corona-Schutzmaßnahmen gelockert werden können, ist das Verhalten der Bürger.

Es ist unsichtbar, war vor einem halben Jahr noch fast unbekannt und dennoch schafft es ein Virus namens Covid-19, die Welt innerhalb weniger Wochen komplett zu verändern. Vieles, was uns als selbstverständlich und notwendig erschien, ist ausgesetzt: Reisen, Partys, Shopping und der Konsum im Allgemeinen. Durch Kontaktverbote und beschränkte Ausgangssperren bleibt uns das alles untersagt, und eine große Frage steht im Raum: Wie geht es jetzt weiter?

Fakt ist, dass Veränderungen jetzt dringend vonnöten sind. Denn das Virus wird nicht verschwinden, schlimmer noch: durch die Umstände, die wir selbst erschaffen haben, werden weitere Pandemien folgen. Die natürlichen Populationsbarrieren in der Tierwelt, die sich früher selbst regulieren konnten, sind durch das menschengemachte Artensterben zerstört. Es kommt zu Mutationen von Krankheitserregern, die, wie im Fall von Covid-19, auf den Menschen übergreifen. Durch den hohen Reisebetrieb verteilen sich diese Viren in Windeseile über die ganze Welt.

Die strengen Schutzmaßnahmen sind nötig und sollten noch weiter ausgeweitet werden. Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die es ermöglichen, die Bevölkerung bestmöglich zu schützen und die Wirtschaft trotzdem wieder zum Laufen zu bringen. Dazu gehört beispielsweise die Maskenpflicht, mit der wir in erster Linie nicht uns, sondern unsere Mitmenschen schützen, da wir das Virus durch Tröpfchen- oder Schmierinfektionen nicht mehr in diesem hohen Maße weitertragen. Voraussetzung dafür ist, dass ausreichend Masken zur Verfügung stehen – ein Problem, dem sich die deutsche Politik und Wirtschaft aktuell noch stellen müssen. Des Weiteren müssen die Abstandsregeln eingehalten und Verstöße härter geahndet werden. Ein schwieriges Thema ist der Datenschutz. Um erkrankte Menschen schneller isolieren zu können und herauszufinden, mit wem sie in Kontakt standen, muss die Überwachung via Handy hier verstärkt werden; in diesem Fall sollten die Gesundheit und der Schutz der Bevölkerung über dem Datenschutz stehen. Zudem sind Institutionen wie Finanzämter etc. bereits wesentlich besser über unsere privaten Daten informiert, als es durch Bewegungsprofile über das Smartphone der Fall wäre – es sollte darüber nachgedacht werden, warum ausgerechnet hier der Aufschrei so laut ist. Großveranstaltungen wie Konzerte müssen deutlich eingeschränkt und durch eine Höchstteilnehmerzahl reguliert werden.

Auch in der Arbeitswelt ist ein Wandel dringend nötig. Die aktuelle Situation zeigt, wie viele Menschen im Home-Office arbeiten können, und nichts spricht dagegen, diesen Umstand beizubehalten. So kann die Abstandsregel auch in den Büros leichter eingehalten werden. Zusätzliche Maßnahmen wären Schichtsysteme und personalisierte Bahntickets für den Weg zur Arbeit, um die überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel zu vermeiden. Das zieht allerdings mit sich, dass weitere Kapazitäten bei Bus und Bahn geschaffen werden.

Eine wichtige Verbesserung wären ausreichend viele Schnelltests, um herauszufinden, wer infiziert ist oder das Virus bereits besiegt und Antikörper gebildet hat. Diese Tests müssten dann auch in Zukunft an den Grenzen eingesetzt werden. Wir werden es schaffen, die aktuelle Krisensituation zu überstehen; fraglich bleibt, ob unsere Wirtschaft das auch ein zweites und drittes Mal aushält, denn die Intervalle werden kürzer werden. Deshalb gilt es jetzt ganzheitlich zu denken. Wir brauchen eine gesunde Umwelt, den bestmöglichen Schutz unserer Bevölkerung und eine Wirtschaft, in der wir nach wie vor Geld verdienen können – bestenfalls mit einer gerechten Verteilung. Um das zu verwirklichen müssen wir uns bewusst machen: nicht nur der Staat sind wir alle, auch die Wirtschaft, der Umweltschutz und die Gesundheit liegen in unserer eigenen Hand. Wenn wir die entsprechenden Maßnahmen getroffen und akzeptiert haben, kann auch das soziale Leben wieder stattfinden; wenn auch eingeschränkter und in anderer Form, als wir es bisher kannten.

Von Michael Gütlich, CEO Dedere Deutschland GmbH

Dies könnte Sie ebenfalls interessieren

zur Nachrichten-Übersicht
Ölsaaten
10.01.2025
SEEHEIM/NEU-DELHI. Das Jahr 2024 hatte wieder einiges zu bieten. Neue Regelungen und Rekordpreise waren in manchen Märkten an der Tagesordnung, klimatische Extreme in vielen Bereichen spürbar. Unser Geschäftspartner aus dem indischen Erdnussmarkt erklärt, wie die Marktteilnehmer sich diesen Hürden stellten und welche Erwartungen es an das kommende Jahr 2025 gibt. Lesen Sie hier das komplette Interview.
Ölsaaten
08.01.2025
SEEHEIM/CHRUDIM. Das Jahr 2024 hatte wieder einiges zu bieten. Neue Regelungen und Rekordpreise waren in manchen Märkten an der Tagesordnung, klimatische Extreme in vielen Bereichen spürbar. Kristián Vronka, Geschäftsführer der CROPFUL s.r.o., erklärt, wie die Marktteilnehmer sich diesen Hürden stellten und welche Erwartungen es an das kommende Jahr 2025 gibt. Lesen Sie hier das komplette Interview.
Ölsaaten
06.01.2025
SEEHEIM/WARSCHAU. Das Jahr 2024 hatte wieder einiges zu bieten. Neue Regelungen und Rekordpreise waren in manchen Märkten an der Tagesordnung, klimatische Extreme in vielen Bereichen spürbar. Unser Geschäftspartner aus dem Leinsaatmarkt erklärt, wie die Marktteilnehmer sich diesen Hürden stellten und welche Erwartungen es an das kommende Jahr 2025 gibt. Lesen Sie hier das komplette Interview.
Ölsaaten
02.01.2025
SEEHEIM/IZMIR. Das Jahr 2024 hatte wieder einiges zu bieten. Neue Regelungen und Rekordpreise waren in manchen Märkten an der Tagesordnung, klimatische Extreme in vielen Bereichen spürbar. Unser Geschäftspartner aus dem türkischen Blaumohn- und Trockenfruchtmarkt erklärt, wie die Marktteilnehmer sich diesen Hürden stellten und welche Erwartungen es an das kommende Jahr 2025 gibt. Lesen Sie hier das komplette Interview.